Von Martin Röse

VIERSEN | Es ist das größte Bauprojekt der Viersener Aktien-Baugesellschaft (VAB) im Rahmen ihrer Neubau-Offensive: Im Herzen der südlichen Innenstadt, auf einem Areal zwischen Körner- und Hohlstraße, entstehen für insgesamt knapp 16 Millionen Euro fünf kubische Mehrfamilienhäuser. Am Donnerstagnachmittag war Spatenstich. Eigentlich sollte der für die 70 Wohnungen bereits im vergangenen Jahr erfolgen. Die „Körnerhöfe“, so der Name des Gebäude-Ensembles, das sich um zwei grüne Innenhöfe gruppiert, waren als krönender Schlusspunkt der VAB-Neubau-Offensive gedacht, die von 2015 bis 2020 insgesamt 400 neue Wohneinheiten in der Kreisstadt bringen sollte, viele davon Sozialwohnungen.

Dass es zu dieser Verzögerung kam und die letzten Wohneinheiten nun voraussichtlich erst in zwei Jahren bezugsfertig sein werden, liegt an einem neuen Förderprogramm. „Die Häuser erfüllen jetzt den KfW-Standard 40 Plus – dafür mussten wir noch einmal umplanen“, erklärt Albert Becker, Vorstandsvorsitzender der VAB. Die Häuser verbrauchen 60 Prozent weniger Energie, als von der Energieeinsparverordnung bisher vorgegeben sind.

Die VAB nennt es ein „Premiumobjekt“, das die Neubau-Offensive „kröne“: hochwertige Klinkerfassaden, bodentiefe Verglasungen, große Terrassen und Balkone, ein Aufzug in jedem Haus, alle Wohnungen barrierefrei. Generalunternehmer ist das Bauunternehmen Welter aus Gangelt, ein langjähriger Partner der VAB.

Solche Wohnungen in der Viersener Innenstadt sind bisher Mangelware. Eine Zielgruppe: ältere Menschen in Einfamilien- oder Reihenhäusern, deren Kinder ausgezogen sind, und die jetzt zurück in die Stadt ziehen wollen. „Hier in der südlichen Innenstadt ist alles nah“, sagt Becker: „Läden für den täglichen Bedarf, der Wochenmarkt und die Festhalle, das Krankenhaus mit Ärztezentrum…“ Aber fußläufig erreichbar sind auch Kindergärten, Schulen und die Grünanlage rund um den Ring – auch für Familien mit Kindern ist die Adresse der Neubauten attraktiv. Entsprechend unterschiedlich sind die Wohnungen, die in den Körnerhöfen entstehen: von der kompakten Ein-Personen-Wohnung mit zwei Zimmern und 43 Quadratmetern, Zweiraum-Wohnungen mit 73 Quadratmetern über Drei-Zimmer-Wohnungen (68 bis 86 Quadratmeter) bis hin zur Familienwohnung mit vier Zimmern und einer Wohnfläche zwischen 83 und 98 Quadratmetern. Soll die Küche lieber offen oder lieber geschlossen gebaut werden? Das kann der erste Mieter vor seinem Einzug noch entscheiden.

Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach sorgt für den Allgemeinstrom und treibt die Wärmepumpen an, geheizt wird mit Geothermie. Das mindert die Nebenkosten. Im Gartenflügel des Gebäudeensembles wird ein voll ausgestatteter Fitnessraum eingerichtet, es gibt eine Bewohnerlounge, in der auch Geburtstage gefeiert werden können. Und: Ein Concierge kümmert sich um die Anliegen der Bewohner, und für Gäste gibt es ein separates Gästeappartement. „Trotz der gehobenen Ausführung sollen die Kaltmieten unter zehn Euro bleiben“, kündigt Becker an, der bereits die neue Neubau-Offensive der VAB angeht: Mehr als 45 Millionen Euro will die Viersener Aktien-Baugesellschaft bis 2024 investieren, 220 weitere Wohneinheiten sowie zwei Kindertagesstätten sollen entstehen. In diesem Herbst soll Baustart für die viergruppige Kita Burgfeld sein, ebenfalls für Herbst ist der Spatenstich für eine fünfgruppige Kita im Rahser geplant. Weitere Wohnungen entstehen in den kommenden Jahren am Bahnhof, am Josephsring, an der Melcherstiege in Viersen-Dülken.

Die VAB ist die wahrscheinlich umtriebigste städtische Tochter, mit einer langen Geschichte. In der Kaiserzeit, im Jahr 1898, hatten Viersener Kaufleute die Viersener Actien-Baugesellschaft gegründet. Längst sind die Aktien – das Stammkapital beträgt 6,6 Millionen Euro – im Besitz der Stadt Viersen. Dennoch agiert die VAB wirtschaftlich völlig losgelöst von der Stadt: „Die Aufgabe der Wohnungsfürsorge wird nur aus den Einnahmen finanziert, öffentliche Beihilfen oder Finanzierungen gibt es nicht“, erklärt Becker. „Ich hätte auch wenig Freude daran, ein Unternehmen zu führen, das nur durch Beihilfen der öffentlichen Hand lebensfähig ist.“

Von ihren Gewinnen reinvestiert die VAB jedes Jahr 80 Prozent in den Neubau und die Bestandsverbesserung von Wohnraum. Davon profitieren auch Unternehmen aus der Region: „Unser jährliches Auftragsvolumen liegt ungefähr bei zwölf Millionen Euro“, berichtet der VAB-Vorstandsvorsitzende. „35 bis 40 Prozent der Aufträge gehen an örtliche Handwerksbetriebe und Tochterunternehmen.“ Und der Rest geht an Firmen aus der Region. Die restlichen 20 Prozent schüttet die VAB als Dividende an ihre Eigentümerin aus – die Stadt Viersen. In den vergangenen Jahren kamen so Jahr für Jahr eine Viertelmillion Euro zusammen, die den Steuerzahler entlastet. Wie viel Geld die VAB in diesem Jahr an Dividende zahlt, entscheidet die Hauptversammlung im Juni. Weniger als die Viertelmillion Euro wird es kaum werden.

Doch neben dem wirtschaftlichen Nutzen ist Becker auch die soziale Wirkung der städtischen Tochter wichtig: „Mit unseren mehr als 3000 Wohneinheiten sind wir der größte Anbieter von Wohnraum in Viersen – und haben entsprechend Einfluss auf das Mietniveau in Viersen.“ Logisch: Kein privater Vermieter kann Mondpreise verlangen, wenn’s vergleichbare Wohnungen bei der VAB preiswerter gibt. Und: Ein Viertel der Wohnungen im Altbestand der VAB wird unterhalb der Mietquoten bei öffentlich gefördertem Wohnraum vermietet, auch wenn die Wohnungsbindung abgelaufen ist.